09.10.2008 ...Das meiste bekommen die Träger, die sich über die Abwechslung ihres Speiszettels sichtlich freuen, auch das meiste Wasser aus meiner 1,5 Liter-Flasche wird von ihnen getrunken. Ich komme mit zwei leidlich englisch sprechenden 16-jährigen Trägern ins Gespräch, einer ist mit seinem 57-jährigen grauhaarigen Großvater mit uns unterwegs. Hier treffen wir auf Deepak von Adventure Geo Treks, der mit seinen Trägern, Maultieren und allem Gepäck für die Tukuche-Besteigung von der anderen Seite über das Kali Gandaki-Tal das Tukuche Base Camp erreicht hat und unserer Gruppe entgegengelaufen ist. Dann rutschen wir in die Schneegrube hinunter und müssen gegenüber noch 30 Minuten steil aufsteigen. Der Himmel hat sich verdunkelt, es beginnt zu graupeln, mit letzter Anstrengung erreichen wir endlich den schneefreien French Pass auf 5360 m Höhe.

Uwe und ich liegen uns in den Armen, die Freudentränen sind echt. Traditionsgemäß legen wir weitere Steine auf die großen Steinhaufen mit den Gebetsfahnenketten. Hinter uns im Dhaulagirital herrscht das blanke dräuende Unwetter, dunkle Wolken und Sturm, wir sind heilfroh, diese Hölle verlassen zu können. Vor uns aber liegt wie im Märchen das Verborgene Goldenene Tal, das geheimnisvolle Hidden Valley, überzogen von einem unsagbar klaren azurblauen Himmel. Bedeckt von einer dicken glatten weißen Schicht des für die Bergsteiger ach so verzichtbaren Schnees. Umgeben von einem Kranz weißer Schneegipfel, links ein Gletschermeer. Über allem die strahlend klare, fast weiße Sonne. Lange habe ich diesen erhabenen Augenblick herbeigesehnt, nun sehe ich mein Traumtal zum ersten Mal, darf es endlich betreten. Wir steigen auf einem Schneefeld in der weithin sichtbaren Hangspur ab, am Horizont sind schon Zelte im Tukuche Base Camp (5060 m) zu sehen. Es dauert aber noch eine ganze Weile, bis wir diese erreichen, es sind Japaner in ihren noblen VE25 Zelten. Unser Lager befindet sich 50 Höhenmeter tiefer am Ende des Tals oberhalb des Camps der vier Franzosen. Ein neues kleines Küchenzelt steht da, umgeben von einer Menge Material und Plastetonnen, neue unbekannte Leute in der Küche, das Gepäck für unsere Bergsteigerexpedition ist schon da. Uns wird jetzt erst bewußt, dass der Wind stark weht, es in der tief stehenden Sonne sehr kalt ist. Ja, es ist wirklich eisig kalt im Hidden Valley.

Normalerweise um diese Jahreszeit schneefrei, bedeckt jetzt eine Schneedecke von mindestens einem Meter das Tal, auf den Bergen liegt er entsprechend dicker, der Wind bläst durch unsere Knochen, am Ende der heutigen „TorTour“ sind einige total durchgefroren, müssen sich in den mühsam zu errichtenden Zelten langsam in ihren Winterschlafsäcken auftauen. Der Atem schlägt sich als Eis im Mundbereich auf dem Schlafsack nieder. Wir müssen auf unsere Träger mit den Zelten und auf unsere Führer warten, um gemeinsam mit ihnen unsere Domizile aufzubauen. Die nassen Zelte gefrieren sofort nach dem Ausrollen aus den Schutzsäcken steinhart und es ist schwierig, die Zeltstangen in die sperrigen zusammengefrorenen Kanäle zu fädeln. Viele unserer Gruppe kommen erst sehr spät an heute, sie sind an ihre Leistungsgrenze gestoßen, trotzdem packen die meisten bei den Zelten mit an, um sich durch die Bewegung ein bischen warm zu halten. Gesundheitlich geht es einigen von uns nicht so gut, einige verschmähen das Abendessen, es sind fast alle einmal dran und auch einige Nepalesen haben Kopfschmerzen und klagen über Übelkeit. Alle aber frieren wie die Schneider. Die Nepalesen haben keine dicken Daunenjacken und Daunenschlafsäcke, eine dünne Decke muss genügen und zum Wärmen rückt man eng aneinander, liegt nachts dichtgedrängt Körper an Körper, wie die aneinander gelegten Finger einer Hand.

Der Küche bereitet es heute große Schwierigkeiten, Wasser heranzuschleppen und in den benötigten Mengen für uns abzukochen. Der Siedepunkt liegt in dieser Höhe ca. 20°C niedriger, dadurch werden auch die Kochzeiten länger, es dauert viel länger, bis das Wasser heiß wird. Wenn dann extra noch 12 heiße Gummiwärmflaschen von den Herrschaften gewünscht werden, kann man schon mal an die Grenzen des Möglichen stoßen. Ganesh möchte morgen einen Ruhetag einlegen, um in Ruhe das Gepäck zu sortieren und einige Porter zu verabschieden. Außerdem könnten die Stärksten den Aufstieg auf den Thapa oder Dhampus Peak wagen. Für die Angeschlagenen wäre es allerdings besser, gleich weiter und etwas nach unten zu gehen. Wir werden sehen. Nachts bescheint der Vollmond das glitzernd kalte Hidden Valley. Es werden im innen und außen gefrorenen Zelt – 8°C gemessen, draußen sind es ca. – 15°C, alles durch den bissigen Wind noch verschärft. Allerdings ist es am nächsten Vormittag im Sonnenschein relativ warm, man kann sich schnell wieder aufheizen. Die meisten Europäer haben sich heute mörderisch das Gesicht verbrannt, auch mein Zinken leuchtet dunkelrot und dick, die Nasenspitze und die Lippen zieren schorfige Grinde.

  + 765/ - 400 m in 8 Std. (1 Std. Pause)
 



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