13. 10. 2010 Ich würde gern früh im Heiligen See schwimmen gehen, mein Schnupfen sagt aber rigoros nein  dazu, schade. Aber verabschieden tue ich mich noch auf Tuchfühlung mit ihm. Unser Muleman bekommt beim morgendlichen Satteln von einem der Tiere einen Hufschlag ans Knie, der ihn den ganzen Tag humpeln lässt. Kein gutes Omen. Dann beginnt unser Marsch weiter nach unten. Wir sind noch im Schatten, die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt. Alle haben dicke Jacken und Wintermützen an. Aber die Berge oben sind schon im Sonnenschein, der uns auch etwas später erreicht. Phadindra liefert im Dorf noch das abgezogene Ziegenfell beim ehemaligen Besitzer ab, dann laufen wir am rechten Flussufer des Phoksundo Abflusses das gleichnamige Phoksundo Khola Tal entlang. Müssen sogar noch einmal 150 m aufsteigen, um zu einem neuen mit Gebetsfahnenketten und vielen Sprüchen geschmückten offenen blauen Holzpavillon zu kommen, der uns von einem Felsvorsprung eine fantastische Aussicht auf den 200 m hohen mehrstufigen mächtig brüllenden Wasserfall des Phoksundo Khola bietet. Ein schöner Picknickplatz. Gegenüber oben sind die Berge Norbung Kang (6085 m) und Kanta Gatan (5910 m) zu sehen, den einige Bergsteiger unserer Expedition bestiegen haben.

Jetzt geht es steil abwärts, auf den seitlichen Hängen sind die Frauen dieser Region damit beschäftigt, Grasfutter für ihre Tiere für den nahen Winter zu schneiden. Es geht mehrere hundert Meter abwärts, gegenüber im Maquwa Khola liegt das langgezogene Dorf Maduwa, von vielen Terrassenfeldern umgeben. Auf den Berghängen wachsen schon wieder viele Tannenbäume. Die Steinsandhänge links davon erinnern mich etwas an das Bryce-Canyon in den USA. Polam mit seinen winzigen Häuschen, aber einem riesigen Marihuanafeld liegt auf 3397 m, direkt auf der anderen Flussseite sehen wir ein von den Maoisten zerstörtes Armeecamp. In 3110 m kommen wir an einem Dorf vorbei, das nur aus Lodges besteht. Eine davon das Jharana Hotel.

Danach sehen wir das Dach einer neuen Gompa auftauchen. Wir überqueren auf einer stabilen Holzbrücke mit einem Geländer, das mich sofort an die polnischen Pferdewagen erinnert, den Phoksundo Fluss auf die linke Seite. Wir kommen zum Kloster und auf den Hof der großen 1994 gebauten Tapriza Secondary School, der wir einen kurzen Besuch abstatten. Die 175 Schüler sind hier im Internat untergebracht, da die Wohnorte der Schüler oft mehrere Tagesmärsche entfernt liegen. Uwe wird seine letzten Stifte reißend los. Wir laufen weiter in leichtem Auf und Ab auf einem Waldweg links oberhalb des Flusses, das Tal ist sehr eng und seine felsigen Flanken ziehen sich hunderte Meter steil über uns in die Höhe. Bald kommt von rechts ein riesiges Seitental mit einer Brücke, das Pugma Khola. Es ist die Strecke des Kagmara Bhanjyang Trecks, der von hier weiter bis zum zweiten Dolpo-Flugplatz nach Jumla und wenn man will nördlich zum Rara See führt. Mehrere Male müssen wir senkrechte Felswände auf schmalen rutschigen Treppenstufen im Wald oberhalb umklettern, teilweise bis 65 m hoch. Direkt am Flussufer befindet sich ein Sägewerk, wo dicke Bretter und Balken von den nepalesischen Arbeitern in mühevoller langwieriger Schwerstarbeit aus den gefällten Urwaldriesen von Hand gesägt werden. Wir überqueren einige Male auf Holzbrücken teilweise ohne Geländer den inzwischen breit und reißend gewordenen Phoksundo Fluss.


In Rechi (2940 m) erreichen wir unseren Lunchplatz am linken hier etwas breiteren Ufer, das Dorf Rechi liegt ein Stück weiter vorn rechts am Hang. Normalerweise wäre hier unser Camp, aber wir haben uns vorgenommen, einen Tag herauszulaufen, um zum Abflug in Juphal einen Tag eher dort zu sein. Phadindra bringt uns aus einem Haus von einer Einheimischen eine Blechbüchse mit frisch gekochten leckeren Pellkartoffeln, als er merkt, wie gut es uns schmeckt, holt er noch eine. Unter großen wilden Walnussbäumen liegen die reifen hellbraunen Früchte, die sich unsere Träger aufschlagen und schmecken lassen. Oft ist der Weg direkt am oder im Fluss aus Steinen errichtet, die manchmal mit Drähten zusammengehalten werden.

Das Tal öffnet sich jetzt ein bisschen, die Hänge werden flacher, die Felsen treten zurück. An einer Schäferhütte mache ich mit Robert und Phadindra ein Päuschen, die anderen sind weit voraus geeilt, wir aber haben uns vorgenommen, den Weg und die einmalige schöne Landschaft zu genießen. Der Uferweg beruhigt sich langsam, keine steilen Steigungen mehr. 16 Uhr 15 erreichen wir unseren neuen vorletzten Übernachtungsort Chhepka (2838 m). Als erstes sehen wir das Laligurance Hotel, im Hof des zweiten, des Yak Hotel and Lodge sind unsere Zelte errichtet, im dunklen Speisezimmer der Lodge bekommen wir unser Abendessen. Das uns aber im Hals stecken bleiben wird. Wir sind gerade beim Zelte einräumen, als unser immer freundlich und gut aufgelegter Mulimann Dal Bahadur Karki laut heulend an uns vorbei und zu unserer Mannschaft läuft. Wir ahnen Schlimmes. Erfahren, dass eines seiner Maultiere an einem Steilhang vor dem Dorf abgestürzt und dabei noch ein weiteres mit in den Tod gerissen hat. Alle sind tief betroffen, wir versuchen, ihn irgendwie zu trösten. In seinem Schock möchte er sofort mit seinen restlichen drei Tieren nach Hause laufen. Wir schaffen es aber im Laufe der nächsten Stunden gemeinsam, ihn zum Hierbleiben zu überreden. Vor allem Kerstin kümmert sich ganz lieb um ihn, tröstet und streichelt ihn. Er telefoniert vom Hotel nach Hause, kann seine Angehörigen über das Unglück informieren. Für ihn und seine Familie ist das ein unersetzlicher Verlust, ein Muli kostet ca. 95.000 Rupees, ein Verdienst von vielen Monaten. Wir versuchen, ihn bei uns Trekkern zu halten, geben ihm Tee und von unserem Abendessen ab. Er schläft zusammen mit unseren Nepalesen in einem Raum, sie versprechen mir, auf ihn aufzupassen. Wir beschließen, ihm von uns aus etwas Geld extra zu geben morgen am Abschiedstag. Eine Versicherung gibt es für Tiere in Nepal nicht.

+ 535 / - 1415 m in 9:20 Std. (3 Std. Pause)
 



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