08. 06. 2006   ...In der Verlängerung des Gebirgszugs folgt dann Kashmir, die berühmte Landschaft, um die sich Indien und Pakistan seit langem streiten. Nach der langen anstrengenden Rüttelfahrt sind wir froh, 16 Uhr Tholing (4000 m) zu erreichen. Die Stadt mitten in der glutheißen Wüste am Sutlej Fluss gelegen, ist eine Oase mit vielen bewässerten grünen Bäumen, aber auch eine Kaserne an der anderen wacht inmitten der modernen chinesischen Architektur. Auf den zweiten Blick erkennen wir auch tibetische Häuser, von ihren hohen Mauern umgeben wie eine Festung. Wir fahren in den Hof eines typischen westtibetischen Landhotels, es ist das Telecom Hotel, das beste in der Stadt. Und es ist ausgebucht, ebenso die beiden Zweibett-Zimmer, sodass wir ein kleines einfaches Vierbettzimmer bekommen, Iris wirkt etwas konsterniert, sie will ein Zimmer für sich. Ich spreche daraufhin mit dem Hotelmanager, er verspricht mir, da am nächsten Tag Gäste abreisen, dass wir morgen zwei Zimmer bekommen, davon eins mit Satellitenfernsehen für das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, das Witz unbedingt sehen will.

Die Betten sind frisch weiß bezogen, eine Thermoskanne mit abgekochtem Trinkwasser und ein Zehn-Liter-Kanister mit kaltem Wasser zum Waschen stehen bereit. Das gebrauchte Wasser schütten wir aus dem Fenster in den Hof, wo auch die Schweine untergebracht sind, ab und zu schwebt mal eine entsprechend aromatische Duftwolke ins Zimmer. Die extrem verdreckten Duschen im Hof werden auf unser Anfragen gereinigt, der Kohleofen angeheizt und für 20 Yuan (2.20 €) kann man heiß duschen. Die Toilette im Hof besteht aus einer dicken gefliesten Betonplatte mit Öffnungen und ein Meter hohen Zwischenwänden, ich treffe meist unseren älteren sympathischen Reisefreund aus Hamburg dort, wir unterhalten uns gut beim kacken und wischen uns gemeinsam den Hintern ab. Alles Gewöhnungssache.

Unsere nepalesische Küche wird in einer Art Gewächshaus unter einem Vordach des Hotels aufgebaut, abends gibt es Apfelkuchen als Nachtisch, viel Hunger haben wir auf dieser Höhe nie, wir müssen täglich die Küche ermahnen, wenig zu kochen, weil immer reichlich übrig bleibt. Hier schlafen auch Sanga, Phadindra und Dorje. Unsere tibetischen Begleiter schlafen in ihren Fahrzeugen, hinten im Jeep Gyaltsen und Pasang, auf der LKW-Ladefläche Dorje. In einem Aufenthaltsraum sind Steckdosen, ich kann die Akkus für meine Kamera aufladen, in Tibet und Nepal sind Steckdosen und Spannung ähnlich wie in Deutschland. Unsere Nasen und der Hals sind durch die ständige Staubbelastung etwas angegriffen, die Lippen werden rissig und kleinere Wunden heilen hier oben nur sehr langsam zu.

Nachmittags besichtigen wir das Thöling oder Thoding Kloster, ein chinesischer Soldat rennt uns hinterher, weil ich zufällig Bilder von exerzierenden Soldaten auf dem öffentlichen Platz mit dem silbernen Elefanten und der schönen Stupa gemacht habe, er findet aber nur die leere Fototasche, die Mietzi umhängen hat, ich war schon um die Ecke verschwunden. Gyaltsen erzählt, das er es schon erlebt hat, wie chinesische Beamte die Kamera von Touristen am Boden zertreten haben. In Chinas Tibet ist das Ablichten aller auch nur entfernt an Armee oder „strategische“ Bauwerke erinnernden Objekte und Subjekte strengstens verboten.

Das Thöling Kloster ist Westtibets bedeutendstes Kloster. Es wurde von Rinchen Zangpo im späten 10. Jahrhundert gegründet. Er war Tibets größter Übersetzer der Sanskrit-Texte aus dem Indischen und Schlüsselfigur der Erneuerung des Buddhismus auf dem tibetischen Plateau. Zur Zeit der „Kulturrevolution“ 1966 wurden von den chinesischen Roten Horden die Statuen zerstört und die Kunstschätze geraubt, einige Zerstörungen sind noch gut zu erkennen. Inzwischen wurden aus anderen Klöstern wieder einige Reliquien hier aufgestellt. Mit einer starken Lampe betrachten wir die Götter und und Göttergattinnen auf den Murals (Wandmalereien) aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, die beeinflusst von Künstlern aus Nepal und Kashmir gemalt sind.

Abends noch ein Bummel auf der 25 m breiten Demonstrationsmeile von Tholing, Gaststätten, vor denen fleißig Billard gespielt wird, kleine Läden, mehrere Diskotheken in den Obergeschossen, in der Kaserne unten wird 22 Uhr noch straffer Sport und Körperertüchtigung betrieben, auch für das Nachtleben bzw. die Hormone der Soldaten ist bestens gesorgt, es gibt mehrere Bordells hier. Bis 3 Uhr morgens dröhnen aus einem chinesischen Kasernenlautsprecher endlose kommunistische Schlagertiraden ins Zimmer, zum anderen Fenster tönt die nächtliche Unterhaltung der Schweine herein.

 

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